"Verschiedene farbige Kreisformen sind in rechteckigen Feldern angeordnet. Sie liegen nicht vollständig in den Feldern, sondern werden durch diese angeschnitten. Auch sind sie selbst schon unvollständig. Entweder fehlen Segmente, wie bei einer partiellen Überlagerung durch eine andere Kreisform, oder sie scheinen wie abgerissen oder abgebrochen. Wenn es tatsächlich Überlagerungen gibt, sind die darüber liegenden randlosen Elemente jedoch transparent. Sie überdecken andere, am Rand mit dunkleren Rahmenlinien versehenen Formen wie Folien, die eine andere Färbung erzeugen.
Die unregelmäßigen, abgebrochenen Konturen sind eine der subtilen Störungen, die Pedro Boese in ein System einführt, das zunächst auf geometrischer Ordnung und Regelmäßigkeit beruht. Das zugrunde liegende Muster, eine parallele serielle Anordnung, ist für uns Betrachter*innen immer noch nachvollziehbar, wird jedoch durch das, was wir sehen, immer wieder unterlaufen.
Gleichwohl entsteht bei allen Variationen der fragmentarischen Formen immer der Eindruck einer kompositorischen Vollständigkeit, einer inneren Stimmigkeit. Fragmente als imaginär vollständig aufzufassen, hat eine lange Tradition, vor allem im Umgang mit beschädigten Artefakten aus der Antike. Ein Torso, dem Arme und Beine fehlen, wird als Formeinheit wahrgenommen, das Gewaltsame der Zerstörung ausgeblendet. (...)"
Ludwig Seyfarth
Berlin, 2023
Auszug aus dem Essay Vollständige Fragmente.
---
2022 erhielt ich vom Förderprogramm Neustart Kultur - digitale Vermittlungsformate, ein Stipendium. Damit habe ich mir Wissen angeeignet, Druckplatten digital hergestellt und lasse sie nun in die Werkreihe einfliessen.
» Neustart Kultur - Modul D, Digitale Vermittlungsformate
